Dr. Alexander Wilhelm
Die Disziplinargesetze des Bundes und der Länder ordnen an, dass nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen durchzuführen sind; dabei sind die belastenden, die entlastenden und die für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme bedeutsamen Umstände zu ermitteln. Der gesetzliche Prüfauftrag beinhaltet also ausdrücklich die Ermittlung der „entlastenden“ Umstände, gemeint sind hiermit insbesondere die so genannten Milderungsgründe. Die anerkannten Milderungsgründe, wie z.B. das Handeln in einer Notstands- oder Konfliktsituation, die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die freiwillige Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung, kennen die mit dem Disziplinarrecht befassten Personen (z.B. Ermittlungsführer, Dienstvorgesetzte, Richter, Verteidiger) in der Regel gut. Daneben gibt es jedoch einen bislang weniger bekannten Entlastungsgrund, der jedoch erhebliche Auswirkungen auf den Ausgang des Disziplinarverfahrens haben kann: das „Mitverschulden“ von Vorgesetzten.
Er soll daher im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen, zumal die Beschäftigung mit dieser Problematik dazu beitragen kann, die Aufmerksamkeit verstärkt auf die wirksame Wahrnehmung von Führungsverantwortung im öffentlichen Dienst zu lenken.