Prof. Dr. Matthias Niedobitek
Neueste Entwicklungen im europäischen und im internationalen Recht zeigen, dass der Regelungsprimat des nationalen Rechts im Bereich des Arbeitskampfrechts zunehmend erodiert. Dies zeigt sich am Beispiel des Streikrechts. Mit der Verankerung als Unionsgrundrecht sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, das – unionsrechtlich mehrfach garantierte – Streikrecht zu beachten, wenn sie Unionsrecht durchführen. Gleichzeitig ist das Streikrecht mit den Grundfreiheiten auszutarieren, welche nach der Rechtsprechung des EuGH nur in engen Grenzen eingeschränkt werden können; hier drohen zudem Konflikte zwischen dem Unionsrecht und den völkerrechtlichen Garantien des Streikrechts, insbesondere mit der EMRK.
Restriktionen völkervertraglicher Art resultieren aus den zahlreichen Konventionen, die das Streikrecht gewährleisten. Während es noch weitgehend folgenlos ist, die dem deutschen Recht zuwider laufenden Interpretationen der internationalen Überwachungsgremien zu ignorieren, gilt dies nicht in gleichem Maß für Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hat sich von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewandt und sieht in der EMRK ein Streikrecht verankert, welches grundsätzlich auch Beamte erfasst. Diese Rechsprechung muss Konsequenzen für das deutsche Beamtenrecht haben, da das grundsätzliche Streikverbot für Beamte nicht länger haltbar sein dürfte.