Dr. Hellmuth Müller
Der Beamte muss in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit sagen. Diese Dienstpflicht, die – anders als bei Soldaten – im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist, gilt nach der ständigen Rechtsprechung des früher für Bundesbeamte zuständig gewesenen 1. Disziplinarsenats des BVerwG auch für den aussagebereiten Beamten als Betroffenen im Disziplinarverfahren. Die Beamtendisziplinarrechtsprechung in den Ländern und die Literatur sind dieser Auffassung – zum Teil mit Modifikationen – weitgehend gefolgt mit der Konsequenz, dass ein Beamter wegen schuldhaft wahrheitswidriger Einlassungen im Verlauf seines Disziplinarverfahrens zusätzlich disziplinarisch belangt werden kann. Demgegenüber ist nach der ständigen Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats des BVerwG der Soldat als Beschuldigter im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten und ist insoweit von der gesetzlichen Wahrheitspflicht befreit. Ist es gerechtfertigt, aussagebereite Beamte und Soldaten insoweit unterschiedlich zu behandeln? Das soll im Hinblick auf das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren – am Beispiel der Bundesbeamten – untersucht werden. Dabei ist auch der Begriff der beamtenrechtlichen Wahrheitspflicht zu klären.